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Julius Schmidt

Von Facebook und Franzosen

Ich liege auf der Couch und studiere stundenlang die Neuigkeiten auf der Facebookstartseite mit meinem geliehenen iPhone 4. Denn das kürzlich gekaufte 6er wurde mir in einem Menschenpulk beim Warten vor dem Stadion geklaut. Die Ungeduld der Argentinier vor Fußballspielen ist mal wieder explodiert und so musste die Polizei beim Spiel von River Plate gegen Rosario Central mit mehreren Hundertschaften das Gebiet rund ums Estadio Monumental, zum Zorn aller Fans, absichern. Mit Wellenbrechern, Schlagstöcken, Hunden und dem Einsatz von Pfefferspray wurde die schimpfende Masse versucht zu bändigen. Im Getümmel ließ ich meine Hosentaschen 10 Sekunden lang unbeaufsichtigt, was für die Straßenräuber eine halbe Ewigkeit bedeutet. Als wäre das nicht genug, bekomme ich aus nächster Distanz die volle Ladung Pfefferspray ab. Es folgt eine zweiwöchige Bindehautentzündung, langanhaltender Schnupfen und Kopfschmerzen. Dass der Grottenkick 0:0 endete und im Stadion kein Bier verkauft wird, sei unter diesen Umständen nur am Rande erwähnt.

Straßenkreuzung in der Nähe des Unicampus auf der Av. del Libertador bei Sonnenuntergang

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Die spielt nicht, die will nur beißen

Wir haben Montagmorgen 9 Uhr und es riecht nach verschlafenen Menschen. Die Fensterscheiben von innen beschlagen, von außen verregnet und es scheint, als fuhren wir durch eine nicht enden wollende graue Wolke. Der Herbst kehrt ins Hause ein, Mama Sonne und Papa Mond wissen schon Bescheid, nur das kleine Thermometer wurde noch nicht informiert und so bleibt es in dem Glauben es sei Sommer. Nass geschwitzt sitze ich neben Arzt, Anzug und Arbeiter, denn das Publikum im Bus ist gemischt. Ein Kind malt ein Herz in den ausgehusteten Dunst am zerkratzten Plexiglas und ich verkneife mir lauthals zu lachen, weil es so hässlich aussieht. Schlechtes Wetter, schlechte Laune, da kann das Kind gar nichts für.

 

„Der Herbst“, Julius Schmidt 04/2017. Acryl auf Himmelszelt; 80 x 65 cm

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Anstoß in Argentinien

„Messi, Messi, Messi, Messi“, tönt es von den Rängen des El Monumental, während die Fans mit sich verbeugender Geste ihren Fußballgott auf dem Rasen ehren. Das traditionsreiche Stadion von Rekordmeister River Plate ist ausverkauft. WM Qualifikation Argentinien gegen Chile.

Alles in blau und weiß und ein großer lautstarker roter Fleck im Gästeblock auf dem Oberrang. Die Nationalhymnen sind gespielt, das Nachbarduell ist bereit zu starten. Feuerwerk, Flammenwerfer, Pfiffe. Applaus, Anpfiff, Anstoß. Ein Kindheitstraum geht gleich in meiner ersten Woche hier in Erfüllung. Argentinien, das Land, in dem Mädchen uncool sind, wenn sie keinen Fußball mögen. Das Land, in dem kein Acker zu uneben ist zum Kicken. Das Land, in dem der Fußball nicht gespielt wird, sondern gelebt.

Julius (l.) und Jony (r.) kurz vor Anpfiff im „El Monumental“ von CA River Plate

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