565 Tage oder: die Odyssee, ein Manuskript zu publizieren

Ich muss zugeben, zum Start meiner Promotion im September 2019 war ich ein klein wenig naiv. Zwei Zahlen haben mir das in den letzten Wochen vor Augen geführt: 565 und 17. Wieso genau diese zwei Zahlen? 565 Tage, etwa 17 Monate, liegen zwischen dem 12. September 2019 und dem 29. März 2021.

Denn am 12. September 2019 habe ich angefangen, an einem Manuskript mitzuarbeiten. 41 Versionen dieses Manuskripts hat es seitdem gegeben, in die immer wieder Änderungen, Ergänzungen und neue Ideen eingeflossen sind. Als frische Promotionsstudentin dachte ich, dass wir unseren Artikel spätestens im Frühjahr 2020 fertiggestellt und bei einer englischsprachigen Fachzeitschrift eingereicht hätten. Daraus wurde kurz gesagt nichts. Stattdessen bedurfte es besagten 17 Monaten bevor am 29. März die frohe Botschaft kam: Unser Manuskript wurde angenommen. Eine wichtige Lektion für mich und deshalb gibt es heute einen Kurzabriss dieser emotionalen Publikations-Odyssee für euch.

September & Oktober 2019

Ich erinnere mich noch, dass ich in diesen zwei Monaten voller Tatendrang war, am Manuskript zu arbeiten. Das Manuskript war eine klasse Möglichkeit, den Publikationsprozess von der Manuskript-Konzipierung über die Einreichung, eventuelle Ablehnungen und Überarbeitungen bis hin zur Publikation bereits einmal miterlebt zu haben, bevor ich dies für meine Promotion als Erstautorin selbst durchlaufen würde. Es ging also fleißig an die Arbeit.

März 2020

Im März haben wir Autor:innen uns Feedback von den Kolleg:innen aus der Abteilung zum Manuskript geholt und die Konzeption und die Ergebnisse noch einmal kritisch diskutiert. Während manche Kommentare und Fragen frischen Wind gegeben haben, weckten andere ein bislang unbekanntes Gefühl in mir: das Bedürfnis, etwas verteidigen und schützen zu müssen. Ich habe noch keine Kinder, aber es hat sich ein wenig so angefühlt, als ob das Manuskript – unser Baby – gegen kritische Kommentare verteidigt werden müsste. Eine psychologisch höchst spannende Reaktion wie ich finde.

August 2020

Die Monate seit März waren erneuten Überarbeitungs- und Feedbackschleifen und schließlich dem letzten Feinschliff gewidmet. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass wenn man nicht selbst forscht, man nicht nachvollziehen kann, wieso die Arbeit an einem Manuskript so viele Monate in Anspruch nehmen kann. Ende August wurde es nun zum ersten Mal bei einer englischsprachigen Fachzeitschrift eingereicht – und wenige Tage später direkt abgelehnt. Eine „desk rejection“ nennt man das, habe ich im Nachhinein gelernt. Begründet wurde die Ablehnung der Studie vom Herausgeber der Zeitschrift mit der hohen Quote an Einreichungen. Diese sei nämlich durch die Covid-19 Pandemie enorm gestiegen, da viele Wissenschaftler:innen die experimentfreie Zeit zum Schreiben genutzt hätten.

Ich erinnere mich noch deutlich, dass ich zum Zeitpunkt der Ablehnungs-Email gerade zum Grillen im Garten war, denn es war ein schöner Sommerabend. Und ich muss zugeben, dass ich wirklich enttäuscht war und mich auch ein wenig persönlich angegriffen gefühlt habe. Noch etwas, mit dem Wissenschaftler:innen lernen müssen umzugehen. Im darauffolgenden Monat haben wir unser Manuskript bei einer weiteren Fachzeitschrift eingereicht, welche wir thematisch als passend erachtet haben. Das Warten, Zittern und Bangen ging nun wieder von vorne los.

Dezember 2020

Wenige Monate später war die Entscheidung gekommen: Wir hatten eine Überarbeitung („Revision“) des eingereichten Artikels bekommen und nun einige Wochen Zeit, die Vorschläge der beiden Gutachter:innen umzusetzen. In einem ausführlichen Antwortschreiben sind wir auf die Vorschläge und kritisch-konstruktiven Anmerkungen der Gutachter:innen eingegangen, haben zusätzliche Informationen ins Manuskript eingearbeitet sowie weitere statistische Analysen angefertigt. Persönlich habe ich allerdings die Ungewissheit über den Erfolg dieser Überarbeitung als am schwierigsten empfunden. Denn nur weil Autor:innen auf die Vorschläge und Anmerkungen der Gutachter:innen eingehen, bedeutet dies nicht automatisch, dass die neue Version des Manuskripts auch zur Publikation angenommen wird. Es blieb spannend für uns.

April 2021

Seit dem 29. März, dem Tag der Annahme zur Veröffentlichung, ist nun Ruhe um das Manuskript eingekehrt. Seitdem war das Manuskript zur Bearbeitung des Formats und Layouts auf unterschiedlichen Stationen unterwegs und derzeit warten wir auf die finale Druckfahne. Rückblickend muss ich mir wohl eingestehen, dass wir echt Glück hatten. Zwischen der Einreichung und der Annahme des Manuskripts lag nämlich nur knapp ein halbes Jahr – ein Zeitraum, den man ansonsten locker auf ein Gutachten warten kann. Auf diesen Fall der Fälle sollte ich mich mental am besten jetzt schon einmal für die kommenden Studien vorbereiten.

Lessons learned:

  • Kritik und Ablehnung nicht persönlich nehmen: Es geht um meine Arbeit, nicht grundsätzlich um mich als Forscherin.
  • Durchhaltevermögen trainieren: (Gute) Forschung benötigt Zeit und will durchdacht sein. Außerdem seien laut Aussagen von zwei Kolleginnen unsere 17 Monate noch gar nichts. Puh…
  • Frustration gehört zur Wissenschaft dazu und jede:r junge:r Forscher:in sollte im Verlauf der Promotion Wege finden, damit umzugehen.
  • Flexibel bleiben: In der Wissenschaft können wie im Leben ungeahnte Ereignisse und Wendungen eintreten. Wie eine Kollegin aus den USA zu sagen pflegt, findet sich für jedes Manuskript ein Platz – selbst wenn dieser in der Schreibtischschublade sein sollte.

Unsere Autorin bloggt seit Juli 2020 regelmäßig über ihr Forschungsthema “Eltern im Sport” und ihr Promotionsvorhaben.

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