Was mir 2020 gebracht hat

Vor Weihnachten habe ich lange überlegt, mit welchem Thema ich mich im neuen Jahr bei euch zurückmelden könnte. Natürlich kamen mir als erstes die üblichen Neujahrsvorsätze in den Kopf, aber seien wir mal ehrlich: Wer hält das schon durch? Dann bin ich zum allgegenwärtigen Thema gekommen – Corona. Das Coronavirus hatte und wird sicherlich weiterhin Auswirkungen auf meine Promotion und die Projektplanung haben, aber dem könnte ich auch an späterer Stelle noch einen Beitrag widmen. Schließlich habe ich auf Twitter einen Beitrag gesehen, der mich inspiriert hat. Eine Wissenschaftlerin hat dort drei Fragen zum Jahresabschluss an die „Academic community“, wie es so schön heißt, gestellt:

Diesen Fragen will ich mich nun widmen.

1. Was habe ich 2020 über mich selbst gelernt?

2020 habe ich etwas Elementares über mich selbst gelernt: Mein Tag hat auch nur 24 Stunden. Es mag banal klingen, aber ich habe tatsächlich sehr lange Zeit geglaubt (oder mir eingeredet), dass ich gut in der Lage bin, zeitlich viele parallele Projekte zu koordinieren. 2020 hat mir dann mit all seinen Anforderungen gezeigt, dass diese Ressourcen in der Realität begrenzt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass ich schon immer sehr vielseitig interessiert war und leicht für Neues und Spannendes zu begeistern bin – und: ich kann furchtbar schlecht „Nein“ sagen. Und so habe ich mir doch einen Vorsatz für neue Projekte im Jahr 2021 gefasst …

Quelle: https://mltshp.com/p/1K1HA bzw. ein Twitter-Post.

2. Welche neuen Fähigkeiten habe ich durch das Jahr 2020 erworben?

2020 hat mir eine Fähigkeit beschert, an der ich bereits seit Jahren (erfolglos) gearbeitet habe: Geduld. Im letzten Jahr habe ich mich immer wieder mit Situationen konfrontiert gesehen, in denen akribisch formulierte Pläne, Deadlines oder bunt ausgearbeitete To-do-Listen in den Papierkorb gewandert sind. Was soll ich sagen? Zeitweise war es wirklich frustrierend, vor allem, weil ich gerne präzise plane und mich dann freue, wenn der Plan aufgeht. So habe ich in dem ersten Jahr meiner Promotion gelernt, dass Frustration und Umplanungen zum wissenschaftlichen Alltag dazugehören. Rückblickend ist es wertvoll gewesen, dass ich diese Erkenntnis bereits so früh gemacht habe.

Interessant ist aber nun, wie ich es geschafft habe, die Frustration über manche zeitlichen Abläufe auszuhalten! Als Psychologin sage ich an dieser Stelle, dass ich sowohl funktionale als auch dysfunktionale Bewältigungsstrategien hatte. Starten wir mit dem weniger Guten: Manche Zeitverschiebungen haben dazu geführt, dass ich noch mehr gearbeitet habe, um etwas kompensieren zu können. Jedoch war dies rückblickend wenig hilfreich, denn nicht alle Komponenten des Projekts lagen in meinen Händen, sodass ich nur eingeschränkt Kontrolle über einzelne weitere Aspekte hatte.

Psychologisch funktionale Strategien waren für mich vor allem der Austausch mit Kolleg*innen. Zu hören, dass es anderen bereits ähnlich ergangen ist, ändert zwar nichts an der Gesamtsituation, aber schafft zumindest ein Zugehörigkeitsgefühl und beruhigt. Und ich habe im Laufe des Jahres gelernt, Unsicherheiten auszuhalten und Abweichungen zu akzeptieren. Das war eine wirklich herausfordernde Entwicklungsaufgabe für mich. Jedoch hat mir das Wissen, dass ich bereits mein Bestmöglichstes gegeben und meinen Teil erfüllt habe, dabei geholfen, Akzeptanz zu lernen. Ich arbeite aber noch am Feinschliff. Ein Kollege von mir hat es dazu vor Weihnachten auf den Punkt gebracht: „Doing a PhD requires being confronted with challenges you didn’t know you had.“ Wie Recht er damit hat!

3. Wofür bin ich in 2020 dankbar gewesen?

Das vergangene Jahr war für mich ein Jahr der ersten Male. Und erste Male haben immer etwas Faszinierendes, aber auch Beängstigendes. Trotz Corona durfte ich viele einmalige Erfahrungen sammeln, für die ich rückblickend sehr dankbar bin. Beispielsweise konnte ich meinen ersten Vortrag auf einer Online-Konferenz halten, hatte zum ersten Mal einen Praktikanten und war erstmals auf einer wissenschaftlichen Nachwuchstagung. Bezüglich meiner Promotion hatte ich die Gelegenheit, an einer Publikation mit internationalen Wissenschaftler*innen mitzuwirken, und ich habe zum ersten Mal ein Manuskript bei einer englischsprachigen Fachzeitschrift eingereicht – und es abgelehnt bekommen. Etwas, das mir in Zukunft sicherlich noch häufiger begegnen wird.

Der absolute Höhepunkt war es aber, zu sehen, wie viel Anklang mein Promotionsthema findet. Mehr als 800 Eltern haben insgesamt an unserem Fragebogen zu Stressoren von Eltern in Nachwuchsleistungszentren teilgenommen – ein überwältigendes Ergebnis, für das ich sehr dankbar bin. In puncto erste Male durfte ich zur Rolle und Relevanz von Eltern im Leistungssport auch meine ersten Fernseh- und Zeitungsinterviews geben. Und dann wäre da noch der Blog hier für die Sporthochschule: Ein weiteres erstes Mal zum Berichten über meine Forschung und den akademischen Alltag – und zum Dankbar-Sein.

P.S.: Als Psychologin kann ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, euch zum Abschluss einzuladen, die Fragen einmal für euch zu reflektieren. Viel Freude!


Unsere Autorin bloggt seit Juli 2020 regelmäßig über ihr Forschungsthema “Eltern im Sport” und ihr Promotionsvorhaben.

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