Radrennbahn Müngersdorf – Rad- und Fußballstadion in einem

Der “Mythos der Radrennbahn” lebt immer noch. Noch heute erinnern sich neben vielen Radsportverrückten, vor allem die FC-Anhänger*innen an die damalige Zeit im weiten Rund von Müngersdorf. Es war die Zeit, als der Platz ,,brannte”.

Doch alles von Anfang an. 1923 wurde die “Müngersdorfer Radrennbahn” eröffnet. Es war die direkte Vorgängerin des heutigen “Albert-Richter-Radstadions” und stand an selber Stelle.

Im Zuge der 1927 stattfindenden Bahn-Weltmeisterschaften wurde die Bahn modernisiert und ausgebaut. Durch die Installation von Beleuchtung und die Erweiterung der Sitzplätze auf über 20.000 stand einem Spektakel auf der neuen Betonunterfläche nichts mehr im Wege. Geprägt wurden diese Meisterschaften von Lokalmatadoren wie Matthias Engel, Peter Steffes oder auch Albert Richter. Jener Albert Richter galt als exzellenter Kölner Radfahrer und als Kritiker des Naziregimes in Deutschland. Er fuhr nicht, wie von den Nationalsozialisten verlangt, mit dem Hakenkreuz auf der Brust, sondern trug den Reichsadler auf seinem Trikot. Auch seinen jüdischen Trainer behielt er, trotz der Bestimmungen des Regimes, dass jüdische Menschen im deutschen Sport nicht aktiv sein dürften. Schlussendlich wurde er 1939, bei einem Ausreiseversuch in die Schweiz, von der Gestapo verhaftet. In Gewahrsam starb er auf – bis heute – ungeklärte Art und Weise, im Alter von 27 Jahren.

In dem folgenden Jahrzehnt fanden unzählige Rennen auf der Bahn statt, bis der 2. Weltkrieg es unmöglich machte weiter Radrennen zu betreiben. Doch bereits im Jahr der Beendigung des Krieges, 1945, fanden schon wieder die ersten “Steherrennen” statt. Knapp zehn Jahre später folgten die zweiten Bahn-Weltmeisterschaften im Kölner Velodrom. In den sich anschießenden 20 Jahre wurden keine weiteren Großereignisse ausgerichtet. Das letzte Radrennen auf der “Müngersdorfer Radrennbahn” fand 1971 statt.

Doch mit der Beendigung von Radsportwettkämpfen auf der Bahn ging nicht die Beendigung der Benutzung des Stadions einher. So wurden schon in den 60er Jahren die Heimspiele der damaligen Zweitligisten Fortuna Köln und Viktoria Köln ausgetragen. Die “Südstädter” und die Kicker von der anderen Rheinseite nutzten die große Rasenfläche innerhalb der Betonbahn, um sich Duelle mit ihren Gegnern zu liefern. Anfang der 70er Jahre bekamen die Zweitligisten namenhafte Konkurrenz bei der Nutzung des Stadions. Der alles überstrahlende Fußballclub in Köln, der 1.FC Köln, musste ab der Saison 1971/72 provisorisch auf das kleine Radstadion ausweichen.

 Grund dafür, war der Umbau ihrer eigentlichen Heimstätte für die Weltmeisterschaft 1974 im eigenen Lande. Zunächst sollte die Bauzeit nur zwei Jahre betragen. Jedoch verzögerte sich der Umbau der “Hauptkampfbahn Müngersdorf” und es entwickelten sich in den 4 Jahren “berauschende Europapokalnächte” und “Ballfeste in Köln”, wie der Kölner Stadtanzeiger damals titelte.  Mit Spielern wie Wolfgang Overath oder Heinz Flohe, die noch heute von vielen älteren FC-Anhängern verehrt werden, wurde aus dem kleinen Radstadion eine “Festung”. Die Kölner verloren in den viereinhalb Jahren wettbewerbsübergreifend nur dreizehn Spiele. “Die Europapokalspiele bei Fluchtlicht gegen die großen Clubs, wie Tottenham oder Amsterdam sind die Spiele, an die ich mich noch heute gerne zurückerinnre”, resümiert der Zeitzeuge Ewald Stresau nostalgisch. “Manchmal sind wir hinter der Südtribüne durch ein Loch am Zaun geklettert und kamen dann kostenlos ins Stadion. Da gab es noch nicht großartig Kontrollen”, so Ewald Stresau weiter. Für viele Fans war die Zeit im Radstadion eine schöne Zeit, in der der Fußball noch “ehrlich” war. So wurden, als Zuschauerplätze einfach Holzbänke benutzt und die Zuschauer saßen fünf Meter von dem Spielfeld entfernt. Das Einzige, was sie vom grünen Rasen trennte; war ein ein Meter hoher Zaun.

Auch die angrenzende Deutsche Sporthochschule Köln wusste sich ihren Nutzen aus der “neuen” Heimstätte des FC zu ziehen. Sie statteten beispielsweise bei einem Spiel den Trainer der Kölner mit Sensoren aus, um zu testen, welchen Stressfaktoren sich der Trainer bei einem Spiel aussetzt. Doch auch die von den Fans so geliebte Zeit im Radstadion hatte irgendwann ein Ende. 1976 fand das letzte Spiel im Velodrom statt.

Während der Zeit, als die Kölner Fußballclubs das Geschehen im Radstadion bestimmten, konnten keine weiteren Radrennen mehr stattfinden. So wurde folglich die Radrennbahn 1981 abgerissen. Bis 1990 stand den Radsportlern keine Radrennbahn mehr im Sportpark Müngersdorf zur Verfügung.

Dies änderte sich 1990. Ab dem Zeitpunkt wurde innerhalb von 6 Jahren eine neue Radrennbahn nach olympischen Richtlinien erbaut. Sie wurde nach dem Kölner Radsportler Albert Richter benannt und heißt bis heute “Albert-Richter-Bahn”. Sie unterscheidet sich, neben ihrer durch die unterschiedlichen Jahre begründeten Modernität, vor allem in der Größe des Stadions zu ihrem Vorgänger. In dem heutigen Stadion wäre ein Fußballspiel auf dem Rasen in der Mitte nicht mehr möglich. Auch der Belag der Bahn hat sich verändert. So ist dort, wo früher Beton zu finden war, heute ein wertvolles Tropenholz (Afzelia) verlegt. Den gedachten Zweck, das Rad fahren, erfüllt dieser Untergrund bis heute optimal. Hier finden noch Deutsche Meisterschaften im Jugendbereich statt und auch die Sporthochschule nutzt die Bahn. Studentinnen und Studenten müssen im Zuge des Kurses “Radsport” mehrfach auf der Bahn fahren und am Ende dort eine Prüfung abschließen.

Und auch die Zukunft der “Albert-Richter-Bahn” sieht nach einem Beschluss der Landesregierung NRW im Mai 2019 positiv aus. Das Stadion soll umfassend modernisiert und als Leistungsstützpunt NRW genutzt werden. Des Weiteren sollen auch andere Sportarten von dem Umbau profitieren. Beispielsweise soll der Innenbereich der Bahn in eine Mehrzweckhalle umfunktioniert werden. Neben Boxveranstaltungen können Zuschauer*innen in Zukunft auch Volleyball- oder Handballspiele bestaunen. Diese Modernisierung kommt auch der Deutschen Sporthochschule zu Gute. Denn durch die Renovierung der gesamten Anlage können auch Studenten und Studentinnen die neuen Möglichkeiten nutzen, um dort zu trainieren und zu forschen.


Autoren: Christopher Ahn und Benedikt Walgenbach, Studenten der Deutschen Sporthochschule Köln



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