Das Hindernis der Kunst

Blick auf das IG NawiMedi.

Auf dem unscheinbaren Dach des kunstvollen Neubaus der Deutschen Sporthochschule Köln verbirgt sich das Wichtigste für ein funktionierendes Gebäude – silber glänzende Abluftrohre, surrende Maschinen, blinkende Lichter. Die unabdingbare Technik des IG NawiMedi erstreckt sich über das gesamte Dach und das fünfte Stockwerk. Doch wie funktionstüchtig ist der teure Neubau, der 2018 mit einem Jahr Verspätung für Forschung und Lehre eröffnet wurde?

Nach der Genehmigung bekam das Architekturbüro „kadawittfeldarchitektur“ den Zuschlag für den Bau des Institutsgebäudes für die naturwissenschaftlichen und medizinischen Institute, kurz IG NawiMedi. Durch den Bau werden von den 16.000 Quadratmetern Bruttofläche 7.700 Quadratmeter Fläche für Forschung und Lehre geschaffen. Diese Fläche soll die 5.200 Quadratmeter des maroden Institutsgebäudes 1 erweitern. „Das Land Nordrhein-Westfalen ist in Form des Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) der Bauherr, Eigentümer und Vermieter des IG NawiMedi. Der BLB hat die Baukosten übernommen, die über Miete und Einmalzahlungen vom Land und der Deutschen Sporthochschule Köln refinanziert werden“, erklärt Bernd Jörissen, Leiter des Baudezernates der Deutschen Sporthochschule Köln.

Die Kosten beliefen sich bei der Fertigstellung auf 66,3 Millionen Euro. Darüber hinaus wird durch den Betrieb jährlich eine hohe Summe an Kosten anfallen u.a. für die Reinigung der Lamellen. Diese Lamellen stellen den Weltrekordsprint von Usain Bolt dar und sind ein Teil der Kunstinvestition von 1%, der bei öffentlich geförderten Gebäuden berücksichtigt werden muss (Verweis Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat). Die Designkomponenten erklärt die „kadawittfeldarchitektur“ in ihrem Exposé: „In Anlehnung an die Geometrie an die historische Wallanlage und des Radstadions, sowie an das vertikale Volumen des Studentenwohnheimes entsteht ein denkbar
einfacher und dennoch spannungsvoller Baukörper (…). Die einzelnen Geschosse sind konstruktiv, haustechnisch und hinsichtlich der Raumkonfiguration so flexibel entwickelt, dass auch bei sich zukünftig verändernden Anforderungen an die Nutzung eine zeitgemäße Nachhaltigkeit der Gebäudestruktur gewährleistet ist.“

Trotzdem sind Theorie und Praxis zwei unterschiedliche paar Schuhe. Auf der bautechnischen Seite ist das Gebäude sehr modern und nachhaltig: „Das IG NawiMedi ist energetisch sehr gut gebaut – nach dem heutigen Standard. Es sind Wärmerückgewinnungsanlagen drin, es gibt ein Blockheizkraftwerk, womit relativ günstig Strom und Wärme erzeugt wird.“, verdeutlicht Bernd Jörissen. Die Wissenschaftler*innen haben eine andere Auffassung von Funktion und Design. „Es ist hell, sodass Forscher lange Zeiten arbeiten können. Auch Aufzüge auf beiden Seiten, rechts und links, das bedeutet, dass auch Menschen mit Einschränkungen, ältere Menschen oder Probanden mich besuchen können“, lobt Dr. José Walter Tolentino Castro, Wissenschaftler des Psychologischen Institutes. Weiterhin führt Dr. Jonas Zacher aus dem Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin aus: „Wir haben im Vergleich zu den Instituten den Luxus, dass wir alle ein eigenes Büro haben, wo wir uns zurückziehen können. Im Sinne des Patientengeheimnis ist es nicht möglich, Patienten in einem Großraumbüro zu untersuchen.“ Dennoch hat die Kunst nicht nur positive Seiten. „Also als allererstes muss man den Schock der Kunst erwähnen. Man sieht vor meinem Fenster die Kunst des NawiMedi. Das war für alle erstmal ein Schock, weil irgendwelche Menschen überhaupt nicht nachdenken. Wenn man das erste Mal in das Zimmer kommt, denkt man, man sei im Gefängnis“, kritisiert Dr. Zacher, „Der zweite Eindruck ist dann deutlich besser, ich fühle mich sehr wohl. Es ist alles sehr schön modern, es ist gut geplant, gut vorbereitet für die Arbeiten, die wir verrichten.“

Durch das IG NawiMedi konnten hochmoderne Labore für die Forschung geschaffen werden. „Dazu zählen die chemischen Nasslabore nach technischen Richtlinien für Gefahrenstoffe (TRGS), die heute einen wirklich guten Standard haben”, erzählt Bernd Jörissen. Darüber hinaus wurden neue Seminarräume geschaffen, die sowohl für die Lehre als auch in Bezug auf die Raumbelüftung mit modernster Technik ausgestattet sind.

Auch wenn das IG NawiMedi mit der Fertigstellung 2017/2018 noch sehr jung ist, gibt es dennoch Optimierungsbedarf. Tolentino Castro sieht Optimierungsbedarf bei den Türen, denn „es gibt tausend Türen. Also wenn man von hier aus zum Labor geht, muss man vier Türen auf und zu machen. Es ist nicht kompliziert, aber für ältere Menschen, die hier als Probanden sind, ist das eine Belastung.“ Dr. Jonas Zacher stimmt zu: „Es gibt hier immer wieder Beschwerden, dass die Türen hier schwer ins Schloss fallen. Auch ganz bizarr: Die Türen zu den einzelnen Räumen sind schalldicht, aber die Wände zwischen den Zimmern sind so dünn, dass man fast jedes Wort hört.“

Zusätzlich dazu verlief die Raumaufteilung nicht nach Wunsch: „In der Praxis ist das natürlich tückisch: Zum einen brauchen die Patienten unter Umständen einen besonderen Schutz, zum anderen fühlen sich die Studenten gestört, wenn Leute an offenen Arbeitsflächen vorbeilaufen. Hier wäre eine intensivere Planung wünschenswert gewesen“, merkt Jörissen an.

Es bleibt offen, ob das IG NawiMedi den Spagat zwischen Funktion und Design geschafft hat. Dr. Jonas Zacher fasst passend zusammen:„Im Großen und Ganzen wirkt es auf mich eher wie ein funktionelles Gebäude, was gut läuft. Ich würde es nicht über den grünen Klee loben, da gucke ich mir wieder die Strebe im Fenster an.“


Autor*innen: Nick Jonas Ladwig und Lisa Cürten, Studierende der Deutschen Sporthochschule Köln



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