Alles geht, wenn man es will …

“Wie Bitte? Nein, Spanisch kann ich nicht.”…”Oh, und die Bewerbungsfrist für ein Auslandssemester ist schon bald abgelaufen? und Spanisch lernen bis dahin?!”
Puh, warum muss man auch nur alles so weit im Voraus planen? Und genau deswegen, weil lange im Voraus planen nicht unbedingt zu meinen Stärken gehört, sitze ich jetzt in Valencia ohne Auslandssemester über Erasmus, sondern alles auf eigene Faust organisiert. Der Plan: im Sommer arbeiten und Geld sammeln, Flug buchen und im Winter ab in den warmen Süden.
Da ich selber in Griechenland aufgewachsen bin und dies meine erste Reise nach Spanien werden sollte, war ich sehr gespannt darauf die “Nachbarn” auf der Westseite des Mittelmeeres kennenzulernen. ¡Venga , vamos!

Sport. Stadt. Spaß.

Valencia ist eine Stadt mit einem der schönsten und größten Strände Europas, was für mich eines der wichtigsten Auswahlkriterien war. Ein Paradies zum Beachen mit unzähligen
Plätzen für Beachvolleyball, Beachsoccer und Ultimate-Frisbee. Zu Beginn dachte ich man kann hier auch gut Wellenreiten…Fehlanzeige, worüber ich etwas traurig bin, aber dafür kann man Windsurfen und Kiten. Das Stadtbild ähnelt sehr unserem schönen Köln, nur um ein paar Grad gedreht. So gibt es die Turia , einen Fluss umfunktioniert zu einem Grüngürtel, der die wunderschöne, verwinkelte Altstadt umringt. Die Stadtverwaltung tut sehr viel für die bewegungsfreudigen Valencianer. Im Grüngürtel gibt es eine Laufstrecke mit extra schonendem Laufbelag, der federt! Zu jeder Tageszeit sind hier sporttreibende Menschen unterwegs. Ob Fußball, Rugby, Laufen, Parcours, Fitness, Slacklinen oder Proben für den nächsten Schwertkampf, alles mit dabei. Und wer eher Spaß statt Sport will (wobei das eine das andere ja nicht ausschließt 😉 ) trifft sich zum Musizieren, Picknicken & Quatschen, Sonnenbaden, im Gras träumen und Lesen. Ähnlich wie im Kölner Grüngürtel.
Valencia wird unter anderem auch als Ciudad del Running bezeichnet. Jedes Jahr im Oktober findet der Trinidad Alfonso Half Marathon statt und im Dezember der Trinidad Alfonso Marathon, an denen jeweils 20.000 Läufer teilnehmen.
Beides sind riesige Events. Die Laufstrecken führen durch jede Ecke Valencias: Meer, Hafen, Turia, Altstadt, Zentrum, Bioparc , Randgebiete und die ganze Stadt jubelt und feiert mit.

 

 

 

 

 

W. & W.

Der Winter und das Wohnen sind so eine Sache. Warum die Spanier so tun als ob es in den Wintermonaten nicht kalt wird, ist mir ein Rätzel. Die Temperaturen liegen hier zwar immerhin noch zwischen 10-18 Grad tagsüber, doch sobald die Sonne weg ist, sind Handschuhe und Schal angesagt. Und mein Zimmer in der Altstadt macht das ganze nicht unbedingt besser: kalter, grauer Fußboden, Einfachverglasung, keine richtige Isolierung sondern Schaumstoff der die Löcher im Dach stopft. Doch man gewöhnt sich dran und auch im Haus die Schuhe anzulassen, während der kleine Heizofen auf Rädern in Hochtouren läuft, ist bald Alltag. Da sich das Leben sowieso hauptsächlich draußen abspielt – im Park, auf den Straßen, in Cafes, Bars, Restaurants – ist das ‘wie’ man wohnt nicht ganz so wichtig.
Immerhin konnten wir im Spätsommer – und jetzt im Winter zusätzlich in Schlafsäcke eingehüllt – auf unserer schrägen Dachterrasse sitzen und den Mond, bei Tortilla und Vino Tinto , zwischen den Kirchen der Altstadt aufgehen sehen. Dieser Flair hat schon was!
Das ist das Schöne hier im Winter: Es ist zwar kalt, jedoch meistens ist der Himmel klar und die Sonne scheint, so dass sich auch in diesen Monaten das Leben überwiegend draußen abspielt. Und jetzt wo ich das so schreibe, fällt mir auf, dass ich mich in den vier Monaten nur ein einziges Mal bei Freunden zu Hause, in ihrer Studentenbude, getroffen habe. Übrigens waren auch hier Schuhe angesagt und auf meine Frage: Habt ihr eigentlich Staubsauger und Wischmop?, wurde geantwortet: Nein, bei uns kommen auch einmal im Monat die Putzfrauen…

 

Arbeiten und Q-Art.

Die ersten Busse fahren morgens um 07:30 los! Selten sind Menschen vorher auf den Beinen und sogar Bäckereien versprühen erst spät den Geruch von frisch gebackenem Brot und öffnen frühestens um 8:00. Das kleine Frühstück eines Spaniers besteht aus Tostada con Tomate y Cafe . Und natürlich gibt es ca. zwischen 14 und 17 Uhr Siesta. Das betrifft nicht unbedingt das Zentrum, den Plaza del Ayuntamiento wo Touristen die Geschäfte stürmen, jedoch alles drum herum an Restaurants und Shopping-Läden zieht die Rollläden runter. Die Spanier ziehen sich zurück. In ihre Häuser, ein kleines Mittagsschläfchen oder auf einen Cafe con leche y tapas im Stammkaffee gegenüber – wenigsten die haben auf, in größeren Städten. In Randbezirken und Dörfern sitzen oft Menschen auf Bänken, genießen die Sonne und halten ein Nickerchen, während Katzen um die Häuser streifen. Tranquillo. Erst am späten Nachmittag kehrt das Leben auf die Straßen zurück. Dann werden die Rollläden wieder hochgeschoben, der Abend beginnt und bis 01:00-02:00 Uhr wird gegessen und getrunken bis zum Flamenco und fiesta bis in die Morgenstunden.


Neben Spanisch lernen und die spanische Lebensart leben, wollte ich auch ein Praktikum machen. Als ich nach meiner ersten Woche endlich wusste welcher Stadtteil nun zu meiner Hood wird, bin ich losgezogen und habe nach Estudios de Deportes und gimnasios Ausschau gehalten. David, der Besitzer und Personal Trainer von Q-Art Fitness und Physiotherapie, hat direkt zugesagt. Mit seinem gebrochenen Englisch, meinem Anfängerspanisch sowie Zettel und Stift, habe ich am nächsten Tag mein Praktikum bei ihm begonnen. Betreuung der Trainingsfläche, Mitgliederverwaltung, Beobachtung von Personal Trainings- und Physioeinheiten. Ich war fasziniert wie ich fast nur mit Gestik und Mimik und “Sí,sí ” Menschen beim Training helfen konnte und wie sehr wir zusammen gelacht haben!
Das Studio ist nicht sehr groß, es hat die wichtigsten Geräte und Räumlichkeiten. Oben befinden sich zwei Laufbänder und ein großer Raum für verschiedene Kursangebote. Außerhalb der Kurszeiten ist dieser für jeden benutzbar. Unten ist ein kleiner Raum, der vollgestopft ist mit kreuz und quer stehenden Spinningrädern..doch er tut seinen Zweck. Daneben befinden sich die wichtigsten Kraftgeräte, eine Langhantelstation und mehrere Kurzhanteln. Außerdem gibt es eine Sauna, was es in den wenigsten Fitnesscentern in Valencia gibt.
Ich weiß nicht ob es auch in einigen Studios in Deutschland üblich ist, jedoch haben Griechenland und Spanien eine Gemeinsamkeit: vor den meisten Laufbändern laufen Fernseher…damit man auch die Couchpotatoes und älteren Herrschaften zum Laufen kriegt?! Am besten waren zwei Jungs, im Alter von 12 und 13 – BMI verbesserungswürdig – als sie hereinkamen und meinten: Queremos entrenar. Podemos ver Star Wars? Tja, Kunde ist König und so hat David den gewünschten Film angeschmissen und die zwei stiegen 45 Minuten aufs Laufband…Warum nicht!
Seit drei Monaten mache ich jetzt mein Praktikum im Q-Art, und obwohl ich manchmal gerne meine etwas andere Meinung über Übungen oder Korrekturmaßnahmen kundgegeben hätte, hat das Beobachten, das detaillierte Nachfragen und das selber ausprobieren im Nachhinein doch etwas gebracht. Neu war für mich die Physiotherapie. Leider kann ich nicht immer im Behandlungszimmer hospitieren, wo Noemi die Anamnesen und Massagen durchführt. Dafür haben bisher nur zwei ihrer Kunden Zustimmung gegeben. Bei allem was danach auf der Trainingsfläche stattfindet, wie Rehabilitationsübungen, Stabilisierung und Beweglichkeit, sowie das Erkennen von inkorrekten und eingeschränkten Bewegungsmustern, bin ich jedoch dabei. Noemi war auch sehr motiviert mich in eins ihrer Projekte an der Sporthochschule in Valencia mitzunehmen, da sie dort noch als Dozentin arbeitet. Leider ist es dabei nur bei der Theorie geblieben, denn genau wie die Griechen versprechen auch die Spanier viel…was jedoch oft erstmal nur ein Indiz dafür ist, dass sie dich mögen. Vielleicht hätte ich einfach noch zehn Mal nachhaken sollen (neben den bereits vorausgegangenen)…naja, una otra vez.
Nebenbei verbessert sich mein Spanisch ständig durch den Kontakt zu den Trainern und Trainierenden im Q-Art. Einen weiteren Einfluss darauf haben auch zwei Familien, deren Kids ich spielerisch Deutsch beibringe. Meistens draußen im Park, beim Bäumeklettern, Handstandüben und Fußballspielen, wobei ein Sprachmix aus Spanisch und Deutsch entsteht.
Nebenbei ein entspannter, kleiner Nebenverdienst.

Reisen.


Kurzer Einblick: Super schön, total abwechslungsreich, mega Entfernungen und relativ billig wenn man früh genug ein Auto mietet. BlablaCar funktioniert auch super gut, besonders zwischen den größeren Städten, da man sonst auch relativ viel Maut bezahlen muss. Zwei meiner Lieblingsstädte waren San Sebastian und Granada. San Sebastian liegt nahe der Französischen Grenze und ist ein Paradies zum Wassersporten, inklusive Wellenreiten! Nur 30 Minuten westlich davon befindet sich Zarautz, wo jedes Jahr im April die World Surf League stattfindet und das kleine Dörfchen boomen lässt.

Granada, ehemals arabisch, liegt am Fuße der Sierra Nevada, wo man das ganze Jahr über (außer im August) auf der Piste sein kann. Die Bergkette im Hintergrund lädt einfach zu jeglichem Outdoorsport ein und der Blick aufs Meer, durch die Serpentinen und die weißen Dörfer der Alpujarras ist wunderschön. Abends, zurück in Granada, dann noch in einer kleinen, teppichbehangenen Tetería einkehren und arabisches Essen und Tee genießen…was will man mehr. Spanien ist ein tolles Land. Mein persönlicher Kontakt zu den Menschen vor Ort hat mir auch ohne Planung vor der Reise problemlos zu Jobs und Praktikumsplatz verholfen. Der “spanish way of life” ist ein Mix aus Entspanntheit und Disziplin der meinen eigenen
Wurzeln, griechisch und deutsch, entspricht und ich mich dadurch hier sehr wohl fühle.
 
¡Adiós amigos!
                                                                                                                                            …und wenn man sich Freunde macht!                                                                                                                                                                                                                                                           


Autorin: Ioanna Koutras



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