Drachenbootrennen in Shanghai

Shanghai also. Mit ca. 24 Mio. Einwohnern die größte Stadt Chinas und gleichzeitig eine der größten der Welt. So richtig realisieren konnte ich das erst, als unser Flieger über diese Mega-City flog, die immerhin 24x so viele Einwohner wie Köln beherbergt. Das Gepäck war klein, die Mission klar: 13 Sportstudenten aus Köln wollten beim traditionellen chinesischen Drachenbootrennen am 28. Mai teilnehmen und die SpoHo dabei würdig im Ausland repräsentieren. In China ist dieses Rennen ein nationales, drei Tage andauerndes Fest, bei dem in allen Städten hunderte Rennen zwischen verschiedenen Booten ausgetragen werden, inklusive TV-Berichterstattung mit allem drum und dran. Nebenbei sollte natürlich auch Zeit bleiben, um das Stadt- und (besonders wichtig) Nachtleben zu erkunden. Logisch.

Die berühmte Shanghai Skyline bei Nacht

Obwohl ich Asien bisher ausschließlich aus Filmen kannte, blieb der erste Kulturschock aus. Eigentlich sieht es hier aus wie in allen anderen Städten. Für geschwungene Dächer und Tempel ist Shanghai zu international. Die ersten gravierenden Unterschiede zeigten sich digital. Anscheinend stuft die Regierung sowohl Google (inklusive Maps und Playstore), als auch Youtube und Facebook als hochgefährlich ein und blockiert sie. Na ja, immerhin WhatsApp funktioniert im Gratis W-LAN. Wobei erst ein Blick auf das Konto enthüllen wird, ob das Internet wirklich gratis war, denn auf eine englische Website wird gern einmal verzichtet.

Shanghai, Innenstadt

 

Da das Reich der Mitte nicht nur online, sondern anscheinend überall darauf verzichtet, die englische Sprache auch nur ansatzweise verstehen zu wollen, war Ryan unser erster Lichtblick. Er war so etwas wie ein Volunteer für das Rennen und für die Betreuung unseres Teams zuständig. Ein äußerst kompetenter Mann, der englisch spricht und sogar die Sporthochschule kennt! Von ihm erfuhren wir spontan, dass unser erstes und einziges Training bereits für diesen Nachmittag angesetzt war. Es hieß also direkt Leistung zeigen! Zwar waren nicht alle blutige Anfänger, aber gut die Hälfte von uns hatte noch nie in einem Drachenboot gesessen. „Deutlich wackliger als es aussieht“, musste ich mir eingestehen. Ein Blick auf die Qualität der chinesischen Gewässer genügte allerdings vollkommen, um im Training so trocken wie möglich zu bleiben. 90 erstaunlich souveräne Trainingsminuten später verließen wir mit zufriedenem Grinsen das Boot. So etwas muss natürlich zelebriert werden.

 

Erstes Training im Drachenboot 

 

Ein paar Sightseeing- und Clubtouren (welche als Europäer extrem günstig sind) später brach auch schon der Sonntag an. Für uns hieß das Race-Day. Der Tag weshalb wir überhaupt hierher eingeladen wurden. Um neun sollte der erste Lauf starten, der zweite gegen 14 Uhr. Der Modus war uns so unklar wie alles andere auch, da mal wieder alles auf chinesisch war und auch keiner unserer Betreuer wirklich Ahnung hatte. Unsere deutlich trainierteren chinesischen Kontrahenten (inklusive eigenem Paddel und Olympia-Jacke) wussten wir durch einen stilgetreuen Einmarsch mit Kölscher Musik und SpoHo-Banner entsprechend einzuschüchtern. Noch kurz den SpoHo-Tanz zur Erwärmung und dann ging es los. Alle auf Position – Yùbèi – Pǎo – Startschuss! Paddel. Trommel. Paddel. Trommel. Paddel. Alter Schwede, 200 Meter können echt scheiße anstrengend sein! Die zwei chinesischen Boote bestätigten unsere Erwartungen und ließen uns keine Chance. Doch immerhin durften die Franzosen auf Bahn 4 unser Heck nur aus weiter Ferne betrachten. Zufrieden mit dem Rennen und der Zeit gönnten wir uns eine Pause bis zum zweiten Lauf um 14 Uhr. Ab da lief irgendwie alles schief.

Interview für das chinesische Fernsehen

 

Nach einem Mittagessen aus dem Lunchpaket, dass selbst unser chinesischer Betreuer schrecklich fand, warteten wir sage und schreibe 45 Minuten auf einen mittelprächtigen Kaffee im wohl langsamsten Café Shanghais. Anschließend sollten wir bereits eine Stunde vor Rennbeginn an den Fluss, um unseren Start nicht zu verpassen. Bei knalliger Mittagssonne garten wir mit den Fischen um die Wette, während wir ca. 20 Boote vor uns passieren lassen mussten und uns die nächste halbe Stunde damit beschäftigten, Sonnenbrand und Kentern so gut wie möglich zu vermeiden. Im Zweifel wenigstens eins von beiden. Im 2. Rennen sorgten wir dann für das Tageshighlight. Trotz guter Geschwindigkeit und Renneinteilung schafften wir es zwei Mal unsere Bahn zu verlassen und schlussendlich 30m vor dem Ziel gekonnt die Aufmerksamkeit aller chinesischen Kameras auf uns zu ziehen, indem wir furios kenterten! Besonders peinlich war diese Situation, weil die chinesichen TV-Kommentatoren angeblich erzählt hatten, dass die deutsche Sportelite in Vorbereitung auf das Event seit zwei Jahren zwei mal wöchentlich trainiert hat. Damit liegen Sie nur knapp neben der Wahrheit, aber zwischen einer und 104 Trainingseinheiten liegt bekanntlich kein nennenswerter Unterschied (#wirstudierenSportundkeinMathe). Da man als gesunder Deutscher die Schuld immer bei anderen sucht, fokussierten wir uns stark auf das wesentlich wackligere Boot im Vergleich zum ersten Lauf, sowie den neuen Steuermann und die stärkeren Wellen auf der Bahn, welche uns um die quasi sichere Goldmedaille brachten …
Karma bedankte sich aber und schenkte uns nicht nur einen dritten Platz (von vier Teilnehmern in unserer kleinen Uni-Gruppe), bei dem wir bis heute nicht sicher sind, ob die Franzosen trotz unseres Untergangs noch schlechter waren oder irgendwer disqualifiziert wurde. Dazu gab es auch einen wirklich wundervollen Pokal. An dieser Stelle möchte ich gern einmal die Idee einer Pokalvitrine an der SpoHo anstoßen!

Der Pokal für den 3. Platz beim Drachenbootrennen

 

Direkt am nächsten Tag folgte eine Fahrt mit Chinas schnellstem Zug, welcher die 1300 km lange Strecke zwischen Shanghai und Beijing in knappen 5 Stunden bewältigt. Dort wollten wir noch ein wenig Kultur erleben und uns die chinesische Hauptstadt und natürlich die Mauer anschauen. Für mich als alter Ossi ein besonders nostalgischer Moment.

Die Rudercrew der SpoHo auf der chinesischen Mauer

 

Alles in allem war es eine absolut fantastische Woche mit viel Sehenswertem, einer coolen Erfahrung im Drachenboot, starken Partys und einer super Truppe. Deswegen möchte ich hier noch offiziell Yi danken, ohne dessen Einladung wir in Shanghai nicht hätten antreten können!! Hoffentlich bietet sich nächstes Jahr wieder die Chance!
Bis dahin werde ich auf jeden Fall etwas chinesisch lernen und mehr deutsche Lebensmittel mitbringen. Nach 8 Tagen Nudeln und Reis kann einem durchaus der Appetit daran vergehen.

Videorückblick von Julius Küppers: Dragon Boat China Tour 2017 

Ein Beitrag von Oliver Riedel.


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